Big Brother GB: Jeder Klick im Internet wird überwacht

Big Brother Großbritannien

Das Abhörmodernisierungsprogramm

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Solange wir glauben, daß wir unsere Probleme lösen können, indem wir sie dem Staat übertragen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn der Staat immer mächtiger wird.Milton Friedman

Frappierende 380 britische Pfund oder 418 Euro pro Minute will die Regierung des am weitesten fortgeschrittenen elektronischen Überwachungsstaates der westlichen Welt für das Ausspionieren Ihrer Bürger ausgeben. Die jährliche Summe von 200 Millionen Pfund (220 Millionen Euro) für das Abhörmodernisierungsprogramm oder «Intercept Modernisation Programme» (typisch Neusprech!) soll den Beamten Zugang zu sämtlichen Details jedes einzelnen Klicks im Internet ermöglichen, die einer der  50 431 700 britischen Staatsbürger macht, und zwar zusätzlich zu den bereits bestehenden Telephon- und E-Mail-Aufzeichnungen.

Dies bedeutet eine 1700 prozentige Steigerung der bereits bestehenden Kosten des Überwachungsregimes. Chris Huhne von den Freiheitlichen Demokraten bezeichnet diese Summe als «Augenwasser produzierend». «Es existiert im Lande schon genügend Sorge über den fortgeschrittenen hohen Stand des Schnüffelstaates», meinte er besorgt. «In einer Zeit stark limitierter Ausgabemöglichkeiten kann es keine gerechtfertigte Antwort auf die anstehenden Probleme sein, jährlich üppige Millionen Pfund für das Ausspionieren der eigenen Bürger zu verschwenden. Die Aufstockung der Gelder für das Anzapfen von Telephonen und E-Mails ist um so mehr verwirrend, wenn man bedenkt, daß Großbritannien noch eines der wenigen Staaten ist, das vor Gericht keine abgefangenen oder abgehörten Beweise zuläßt, auch nicht in Fällen von Terroristen.»

Staatliche Gremien, inklusive Stadträte reichen bereits jede Minute einen Antrag ein, um Telephonaufzeichnungen und E-Mail-Konten der Bevölkerung auszuspionieren. Die Zahl der von der Polizei, den Ratshäusern und staatlichen Departements durchgeführten Schnüffelaktionen stieg raketenhaft um 44 Prozent alleine in den letzten zwei Jahren auf ein Rekordhoch von 1381 neue Fälle pro Tag! Minister sagen, daß die Fünfjahreskosten des bereits existierenden Schnüffel-Regimes schon heute 55.61 Millionen Pfund (61.17 Millionen Euro) betragen; im Schnitt also 11 Millionen Pfund (12.10 Millionen Euro) pro Jahr. Diese Gelder gehen an die Telephonfirmen und Provider, um die Kosten der Aufbewahrung und Bereitstellung privater Informationen über ihre Kunden zu decken.

Die Kosten des neuen Systems produzierten eine Serie von parlamentarischen Antworten:

Die Gelder sind dazu gedacht, Internet Service Providers zu bezahlen, damit diese Berge von Informationen über jeden einzelnen Bürger während mindestens zwölf Monaten aufbewahren können und um neue Systeme zu installieren, damit diese auch damit zurechtkommen.

Der eigentliche Inhalt der Anrufe und E-Mails wird nicht aufbewahrt – nur wer sie waren, von wo nach wo, wann sie geschahen und von wo sie gesendet wurden. Polizei, Sicherheitsbeamte und andre öffentliche Behörden können dann Zugang zu den Daten, als Teil einer Ermittlung beantragen. 653 verschiedene Behörden und Dienstleistungsbetriebe haben zur Zeit erlaubten Zugang zu den Daten, darunter auch die Ambulanzen, die Feuerwehr und Gefängnisleiter.

Beruhigend zu wissen, daß das anfängliche Konzept, sämtliche Informationen auf eine riesige regierungseigene Datenbank zu speichern wegen Datenschutzbedenken fallen gelassen wurde. Die neuen Regeln werden noch vor Ende Jahr dem Parlament vorgestellt. Alex Deane, Direktor der Kampagnengruppe «Big Brother Watch», sagte: «Die Regierung bereitet sich vor, das britische Volk Wucherpreise bezahlen zu lassen, so daß sie jede ihrer Bewegungen im Internet Online verfolgen können».

Ein Sprecher des Innenministeriums hingegen ließ verlauten, die damit einhergehenden Kosten wären völlig separat von denen, um die Anforderungen der Richtlinien Europäischer Datenspeicherung zu erfüllen, welche die Aufbewahrung der Telephondaten und E-Mails verlangen. «Kommunikationsdaten sind entscheidend im Kampf gegen die Kriminalität und um die Sicherheit der Menschen zu gewähren», fügte er hinzu. «Wir haben klar mitgeteilt, daß keine Pläne existieren, den Inhalt der Kommunikation eines Jeden zu sammeln und diesen aufzubewahren».

Letztes Jahr wurden, unter Einhaltung des Regulation of Investigatory Powers Act (Gesetz zur Regulierung von Fahndungs-Ermächtigungen), 504.073 E-Mail und Telephonanrufe abgefangen. Allesamt gingen durch als angebliche Abwehr gegen Terrorismus. In Tat und Wahrheit wurden diese Daten aber auch dazu benutzt um Leute auszuspionieren, die unter dem Verdacht standen, ihre Abfalleimer am falschen Tag rausgestellt, Abfälle fallen gelassen oder Schulbezirksregeln verletzt zu haben.

Quelle: Daily Mail – 2009-10-21


Der Globale Polizeistaat (SPIEGEL-Buch) Autor Thomas DarnstädtThomas Darnstädt: Der globale Polizeistaat.
Ein SPIEGEL-Buch

Terrorangst, Sicherheitswahn und das Ende unserer Freiheiten.
Deutsche Verlagsanstalt, München 2009. 280 S., gebundene Ausgabe

Erhältlich ab Euro 6.40 bei Amazon (zur Zeit der Veröffentlichung dieses Artikels kostete es noch Fr. 34.90)

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Zitat aus dem Artikel:
«Der Verdacht, dass der Krieg gegen den Terrorismus gefährlicher als der Terrorismus selbst ist, erscheint mir völlig gerechtfertigt», so zitiert Thomas Darnstädt in seinem neuen Buch «Der globale Polizeistaat» den
verstorbenen amerikanischen Philosophen Richard Rorty.
NZZ-Rezension vom 2009-08-08

Dank an kikri

Carolus Magnus

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