Die Nikotinjunkies der Sabine Bätzing

.

Wir Raucher können uns über einen Mangel an Leuten, die sich für unser Wohl und Wehe zuständig fühlen, wahrhaftig nicht beklagen. Zu denen, die uns diese zweifelhafte Ehre erweisen, zählt auch Frau Sabine Bätzing, ihres Zeichens Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Daß sie sich neben den Konsumenten illegaler Drogen unterschiedlicher Gefährlichkeit von Cannabis bis Heroin sowie komasaufenden Jugendlichen auch für uns zuständig fühlt, sagt uns vor allem eines: dass sich in ihren Augen Raucher wie Sie und ich (und, nicht zu vergessen, auch solche wie Helmut Schmidt) im Grunde kaum von Heroinsüchtigen unterscheiden. Einen Teilerfolg kann sie dabei schon verzeichnen: Die bürgerliche Presse findet schon lange nichts mehr dabei, Raucher als «Nikotinsüchtige» oder gar «Nikotin-Junkies»* zu bezeichnen.

Sprache ist verräterisch

Das Perfide dabei hat noch nicht einmal etwas mit der Frage zu tun, ob die Bezeichnung «süchtig» sachlich zutrifft oder nicht (eine Frage, auf die ich noch zurückkommen werde). Wichtig ist vor allem, was damit zwischen den Zeilen gesagt wird, nämlich Folgendes: Raucher sind 1) krank und 2) wegen ihrer Sucht nicht fähig, eigene Entscheidungen zu treffen. Was das konkret für uns solchermaßen Disqualifizierte bedeutet, liegt auf der Hand: Wenn wir unfähig sind, eigene Entscheidungen zu treffen, dann dürfen andere für uns entscheiden. Und: Einwände von unserer Seite müssen gar nicht erst beachtet werden. Wer von einer Krankheit nicht geheilt werden will, der beweist damit alleine ja schon, siehe oben, daß er unfähig ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Damit sind andere moralisch dazu berechtigt, ja, verpflichtet, sich um sein Wohl zu kümmern.

.
Wer uns Raucher als süchtig bezeichnet, dem müssen wir also unterstellen, daß er die Absicht hat, uns zu entmündigen oder zumindest mundtot machen zu wollen.
.

In den Hexenprozessen, die vor vierhundert Jahren in einer gigantischen Welle über den Kontinent schwappten, waren die Angeklagten in genau derselben Zwickmühle wie wir, wenn sie vor der Heiligen Inquisition den Verdacht widerlegen mußten, sie hätten ihre Seele dem Teufel verschrieben: Alles,was eine angebliche Hexe vorbringen konnte, war gleichzeitig immer auch als Beweismaterial gegen sie tauglich. Aus ihr sprach ja gerade dann, wenn der Inquisitor sich in Gefahr sah, vor ihr überzeugt zu werden, dies als List des Teufels, welcher seine Beute nicht wieder hergeben wollte. Genauso wie heute aus einem Raucher, der behauptet, es sei sein eigener Wille zu rauchen, angeblich immer dann die Sucht spricht, wenn man seinen Argumenten sonst nichts mehr entgegenzustellen hat.

Zahnpastatuben, Socken und Zigaretten

Aber sind Raucher nun – diese inakzeptable «moralische» Wertung einmal ausgeklammert – im Sinne des Begriffs süchtig oder nicht? Jeder weiß ja von Rauchern, die schon mehrmals erfolglos versucht haben, mit dem Rauchen aufzuhören. Ist aber grundsätzlich eine Sucht, womit man nicht jederzeit auf Zuruf aufhören kann? In diesem Fall ist die Welt voll von Süchtigen, denn jeder hat seine ureigenen Angewohnheiten, auf die er oft auch dann nicht verzichten mag, wenn es mit Nachdruck von ihm verlangt wird. Das reicht vom Fernsehen über die Chips-Tüte, die man erst dann weglegen kann, wenn sie bis auf den letzten Rest geleert wurde, bis hin zu Nichtigkeiten wie der sprichwörtlichen nicht zugeschraubten Zahnpastatube oder den auf dem Sofa herumliegenden Socken, die nach dem Ende der Single-Zeiten für eine Partnerin rasch zu einem roten Tuch werden und im Extremfall sogar die Beziehung gefährden können. Erstaunlich oft gelingt es auch dann vielen nicht, die Angewohnheit zu verändern. Haben wir es also auch hier mit einer Art von Suchtverhalten zu tun?

Wo kommen eigentlich die ganzen Ex-Raucher her?

Die richtige Antwort lautet: Eine Veränderung der Lebensgewohnheiten führt man dann – und nur dann – erfolgreich durch, wenn man diese Veränderung wirklich selbst will. Das gilt auch für das Rauchen, und die Statistik* zeigt, daß es dabei einen Faktor gibt, der eindeutig stärker ist als eine angebliche «Nikotinsucht»; nämlich das Alter.

.
Unter Männern im Alter von unter 40 kommen mehr als drei Raucher auf einen Ex-Raucher. Bei denen zwischen 40 und 65 ist die Zahl der aktiven und ehemaligen Rauchern fast gleich hoch. Bei Männern über 65 Jahren kehrt sich das Bild um: Dreimal so viele Ex-Raucher gibt es in dieser Altersgruppe als aktive Raucher – in diesem Alter gibt es bereits ebenso viele Ex-Raucher wie lebenslange Nichtraucher.
.

Wie vielen dieser Ex-Raucher es leicht gefallen ist, mit dem Rauchen aufzuhören, und wie viele Versuche im Durchschnitt nötig waren, darüber gibt diese Statistik keine Auskunft. Aber 87 Prozent aller Ex-Raucher haben keine Hilfsmittel* benötigt, um mit dem Rauchen aufzuhören; eine Zahl, die meilenweit von dem entfernt ist, was bei einem Tablettenabhängigen, einem Alkoholiker oder gar einem Heroinsüchtigen auch bei optimistischster Prognose denkbar wäre. Wie ist das zu erklären, wenn man es beim Rauchen wirklich mit einer diesen Abhängigkeiten vergleichbaren Sucht zu tun hat? Anders als im Fall von Alkohol-, Tabletten- oder Heroinsucht ist der Raucher auch nicht gezwungen, Nikotin in möglichst reiner Form zu sich zu nehmen, denn dann müßten Nikotinpflaster ja ein ausgezeichnet funktionierender Ersatz für Zigaretten sein. Das sind sie aber nicht. Obwohl sie über alle nur denkbaren Verbreitungskanäle als gesunder Ersatzstoff angepriesen werden, spürt eine Mehrheit der Raucher, die sie ausprobieren – rein gar nichts.

Es geht doch nichts über eine gute Ausrede

Halten Sie es eigentlich für hilfreich, wenn jemand, der mit dem Rauchen aufhören will, dabei von vornherein denkt: Das wird bestimmt nicht klappen, denn immerhin bin ich ja süchtig? Wohl kaum. Das «Wissen» um die voraussichtliche Vergeblichkeit aller Bemühungen kann aber auch als Ausrede verwendet werden: Wenn einer sich verpflichtet fühlt, auch gegen seinen eigentlichen Willen mit dem Rauchen aufzuhören, bleibt auf diese Weise ein moralisch nicht angreifbares Hintertürchen offen. Fühlt man sich nichtrauchend weniger wohl als rauchend, kann man einfach wieder mit dem Rauchen anfangen und sagen: «Ich kann nichts dafür. Die Sucht war stärker.»

Der Satz «Ich bin süchtig» aus dem Mund eines Rauchers ist, so gesehen, verständlich. Gleichzeitig enthält er aber einen Freibrief für selbsternannte Retter vom Schlage einer Frau Bätzing sowie für die Geschäftemacher aus der Raucherentwöhnungsindustrieeine Branche wohlgemerkt, deren Einkommen nur dann dauerhaft gesichert ist, wenn möglichst viele der neuen Ex-Raucher bald wieder rückfällig werden.

[esmw]

*Zu den Quellenangaben dieses Artikels


Hinweis
Dieser Text wurde, leicht abgeändert, der Aufklärungskampagne

NEUES VOM SCHELM (Faltblatt hier herunterladen)

entnommen. Der Text kann dort in Form eines Faltblattes heruntergeladen und an Freunde und Bekannte verteilt werden. Die Webseite enthält weitere interessante Informationen, die nach und nach erweitert werden.

Hier geht’s zum Download der praktischen Visitenkärtchen

Carolus Magnus

Freidenker, Rebell und Nonkonformist schreibt provokativ, konzis, unkonventionell und unmißverständlich über/gegen das grassierende, genußfeindliche, puritanische Weltbild in unserer Gesellschaft. Stilmittel: Satire, Provokation, Humor, Karikatur und knallharte Facts. Ein MultiMediaMagazin für Jeden.

View all posts by Carolus Magnus →

4 thoughts on “Die Nikotinjunkies der Sabine Bätzing

  1. Jezt können «normale» Raucher auch nachvollziehen was Canabiskonsumenten seit gut 30 Jahren ertragen.
    Und bald fahrt ihr auch nach Holland … für ne Stange Zigaretten
    … und werdet genauso vom Gesetz gefistet und umerzogen.
    Schöne neue Welt, unsere Feinde sind wir selbst.
    HA-HA

Schreiben Sie einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .