Junk Sciencer

Rauchverbot Genf WHO-Sitz
Wann wird der Park mit NATO Stacheldraht eingezäunt?
WHO Sitz in Genf verbietet 2013 in ihrem öffentlich zugänglichen Park das Rauchen.

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Junk Science – zu leicht gemacht

Das Leben von Pseudo-Wissenschaftlern ist einfach: Mixen, hochrechnen, klauen – und daran glauben.

Wie gut haben es doch die Eichhörnchen, sinnierte der Satiriker Carl-Julius Weber vor 180 Jahren. Forscher hätten nicht den Instinkt jener possierlichen Tierchen, die «eine hohle Nuss sogleich erkennen und wegwerfen, die wir erst mühsam aufknacken, ehe wir so klug werden wie sie». Das verehrte Publikum wird sich noch weniger als Forscher um die hohlen Nüsse der Wissenschaft kümmern können und wollen. Und genau davon leben jene, die Junk Science produzieren. Junk Science ist Desinformation, Manipulation, Unfug, tatsächlich übler Müll und besonders gefährlich, weil seine Produzenten und deren Helfer ihren wahren Charakter verschleiern. In diesem Artikel werden einige Merkmale von Junk Science und Junk-Science-Journalisten beschrieben.

Junk Science hat nur einen Bezug zur Wissenschaft: Sie reklamiert für sich, «Wissenschaft» zu sein. Formalien werden eingehalten, soweit es für die Tarnung sinnvoll erscheint. Auch Junk-Science-Studien enthalten Quellenverzeichnisse; in der Regel vertrauen die Produzenten aber darauf, dass die Qualität der Nachweise von den meisten Lesern nicht geprüft wird. Hier aber eröffnen sich bereits Chancen, solide wissenschaftliche Arbeiten von Junk Science zu unterscheiden. Nachweise in Junk-Science-Produkten sind häufig schlampig erstellt mixen Quellen unterschiedlicher Qualität (echte Nachweise, «persönliche Informationen», banale Zeitungsartikel etc.). Findet man solches, kann man sich eigentlich sparen, die genannten Quellen im Detail auf die korrekte Verwendung zu prüfen; die Absicht, zu täuschen, wird bereits hier offensichtlich.

Junk-Science-Ergebnisse werden nicht nachvollziehbar hergeleitet, sondern fabriziert. Es wird generalisiert, hochgerechnet, gemutmaßt, geschlossen, gefolgert, gefordert. Junk Science-Produzenten und ihren journalistischen Helfern ist es schnurz, ob zitierte Werte signifikant waren oder nicht oder ob genannte Werte überhaupt von Bedeutung hätten sein können. In Studien zum «Passivrauchen», einem Feld, das zu einem erheblichen Teil von Junk Sciencern beackert wird, wurden Ergebnisse aus unvergleichbaren Populationen zusammengeworfen; das Spektrum der Datenlieferanten reichte von «Kindern, niedrigste soziale Klasse» über Hamster, Hunde, Kaninchen, Mäuse, Ratten undefinierten «Menschen» (ohne Geschlechtsangabe), «Patienten», «Passivraucher» bis hin zu Pensionären der Oberschicht in Südkalifornien. Die Erbärmlichkeit von «Resultaten», die aus solchen Vermischungen konstruiert werden, sowie die Dreistigkeit, diese als «wissenschaftlich» zu bezeichnen, ficht ihre Produzenten nicht an. Sie erfüllen einen Auftrag. Der Zweck heiligt die Mittel, basta.

Der Junk-Sciencer

Auftraggeber der Junk Sciencer sind häufig Politiker; deren Bedarf an seriöser wissenschaftlicher Beratung scheint gering zu sein. Vielfach finanzieren sie statt solider Wissenschaftler solche, die ihnen etwas «bringen»: scheinbar wissenschaftlich abgesicherte Argumente für längst getroffene Entscheidungen. Häufig sind gut dotierte Aufträge nichts anderes als ein Werkvertrag über die erneute, zeitgemäß scheinende Reproduktion geliebter Vorurteile und deren Sicherung für weitere Verwendung.

Der Junk Sciencer lebt allerdings (was ihm nicht bewußt sein muß) mit einem unauflöslichen Widerspruch: Einerseits muß er formal Regeln der Wissenschaft einhalten, andererseits weiß er genau, daß er sich selbst ad absurdum führen, letztlich eliminieren würde, wendete er diese inhaltlich an. Er muß so «tun als ob» und den Schein als das Sein verkaufen, Lüge als Wahrheit.

Um mit diesem Konflikt gelassen leben zu können, haben manche Junk Sciencer Selbstschutzmechanismen entwickelt; andere haben vielleicht das Glück, charakterlich so ausgestattet zu sein wie jene, von denen Birnbaum einst schrieb, Typen solcher Art würden in der Regel Heiratsschwindler, Hochstapler oder Journalisten.

Wie auch immer, das oberstes Gebot lautet: Ein Junk Sciencer hat stets Recht. Alles, was er von sich gibt, ist richtig. Daß er mit seinem Müll (vielleicht sogar sehr spektakulär) an die Öffentlichkeit gegangen ist, ist nicht nur legitim, sondern heldenhaftes Tun, dem die gesamte Menschheit einschließlich kommender Generationen Dank schuldet.

Ein Junk Sciencer macht sich, nicht einmal in homöopathischer Dosierung, Gedanken über «Risiken und Nebenwirkungen» seines Tuns. Ihm gilt als weiteres Gebot: Negative Konsequenzen seines Pfusches kann es grundsätzlich nicht geben. So zurückhaltend wie die Katholische Kirche, die dem Papst die Unfehlbarkeit ja lediglich in Glaubensdingen zubilligt, muß der Junk Sciencer nicht sein, ist er doch der nach Kant gehobensten Kategorie «Wissen» (nicht: «meinen» oder «glauben») zugeordnet. Selbst wenn ein Junk Sciencer sich als enthusiastischer Befürworter von Nazi-Propaganda oder als totalitärer Forderer eines «Verbots der Meinungsfreiheit» für ihm nicht genehme Aussagen outet, wird ihm dies nicht einmal peinlich sein.

Leibhaftige Dummheit

.Gerade das macht sie attraktiv für jene, deren Treiben dem der Junk Sciencer ähnlich ist. Warum sollte, wer schrottige Produkte, schlechte Leistungen oder Minderwertiges zu vermarkten hat, sich mit anderen als Junk Sciencern und deren Mietmäulern umgeben? Je ausgeprägter die, so Carl-Julius Weber, «leibhaftige Dummheit» sich personifiziert, um so besser! Solche Leute werden gebraucht, keine, die zu ernsthafter Arbeit fähig wären. Was, nebenbei, dazu führt, dass solchen von den Junk Sciencern mit Vorliebe unterstellt wird, bemitleidenswerte Ausgeburten «protestantischer Arbeitsethik» zu sein.

Wie der Junk Sciencer ist auch der Junk-Science-Journalist unfähig, auf Kritik angemessen zu reagieren. Wer kritisiert, wird zum persönlichen Feind. Den gilt es zu besiegen, mit allen Mitteln. Wenn es notwendig erscheint, wird auch verleumdet, gefälscht und gelogen. Dies verlängert die Kette der Mietmäuler hin zu manchen Rechtskundigen, deren Aufgabe es ist, Diffamierungen so zu formulieren, dass diese mit den Instrumenten des Presserechts nicht angreifbar sind. Absegnung durch Juristen tritt an die Stelle der Recherche, die nie gewollt war.

Erkenntnisfeindliche Auftraggeber und ko-abhängige Medien

Ein Junk Sciencer als solcher ist für Personen und Institutionen, die ihn beauftragen, die modische Variante der früher an den Höfen angestellten Narren und Schranzen. Anstelle der Höfe sind Institutionen getreten, in denen Aufgaben nicht ernsthaft (also: nach wissenschaftlichen Methoden, unter Verwendung bestmöglicher Techniken) angegangen werden dürfen und/oder wo effektives Management nicht stattfinden darf – weil die Institution z.B. der Versorgung von Genossen/Kameraden zu dienen hat. Der Junk Sciencer schafft sich seinen Freiraum, frei nach dem alten Sprichwort: «Die Wahrheit muss ins Hundeloch, während das Schmeichelkätzchen am Ofen sitzen darf und spinnen». Der Junk Sciencer sorgt also für Unterhaltung, Aufregung, Aktivitäten und, wenn er gut ist, auch für den Zufluss finanzieller Mittel. Er formuliert «Problemanzeigen», stellt «Handlungsbedarf» fest oder schiebt seine Institution gar an die politische Front, um dort Forderungen zu stellen und den eigenen Machtbereich zu vergrößern. So fordert er Genehmigungen oder Verbote für dieses und jenes; vor allem aber ist er bestrebt, seriöser Wissenschaft zu schaden. Das geschieht etwa dadurch, dass er Vertreter anderer Institutionen dazu bringt, mit ihm gemeinsam «politische» Forderungen zu stellen. Stellt sich heraus, dass die von ihm fabrizierte Grundlage Junk Science darstellt, kann er damit rechnen, dass nicht alle der von ihm Getäuschten dies erkennen, erkennen wollen oder gar auf Distanz gehen.

Der Junk Sciencer braucht zu seiner Entfaltung nicht nur erkenntnisfeindliche Auftraggeber, er muss sich und seine Produkte auch adäquat vermarkten. Häufig entstehen symbiotische Konstrukte mit Junk-Science-Journalisten und bestimmten Massenmedien. Die weite Verbreitung falscher Auffassungen der Bürger, z. B. die grotesken Fehleinschätzungen tatsächlicher und vermeintlicher Risiken, ist Ergebnis der seit vielen Jahren existierenden Kooperation von Junk Sciencern mit manchen Medien.

Die charakterlichen Anforderungen an Junk Science-Journalisten, nicht selten als «Wissenschaftsjournalisten» getarnt, unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des Junk Sciencers. Sie dürfen kein Erkenntnisinteresse haben; jeglicher Forschungsdrang sollte ihnen zuwider sein. Bei Notwendigkeit werden sie ihr Repertoire an Plattitüden einsetzen wie: «Die Wahrheit von heute ist der Irrtum von morgen», «Alles ist relativ», «Objektivität ist eine idealistische Fiktion» etc. Je schlechter sie bei ihrem eventuell absolvierten Studium waren, um so eher werden sie geneigt sein, Murks aus marxistischen und sonstigen Mottenkisten zu verwenden. Die Welt ist nur gut oder böse, und nur sie sind befähigt, die Elemente auseinander zu halten. Sie sind personifizierter Unverstand, agierende und publizierende intellektuelle Impotenz.

Wie sind die Perspektiven für Junk Sciencer und ihre Helfer? Bestens! Man mag spekulieren, ob das unverkennbare Anwachsen von Junk Science Ausdruck oder Bedingung der Infantilisierung unserer Gesellschaft ist, jedenfalls finden Junk Science, deren Exponenten und Verbündete hierzulande in manchen Medien bereitwillige Aufnahme.

Bezeichnend scheint mir, dass Politiker, die tatsächlich Kritisches anzumerken haben, bei der Neuen Zürcher Zeitung Gehör finden, nicht aber bei deutschen Organen, erst recht nicht in ihrer Fraktion. Auch das ist symptomatisch: Ausgefeilte, praktikable Regelwerke wie die der Max-Planck-Gesellschaft oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Sicherung der Qualität wissenschaftlicher Arbeit stoßen bei Junk Sciencern auf Hohn und Spott. Das sollte Anlass sein, solche Regeln auch zu Kriterien der Bewertung von Leistungen mancher Institutionen zu machen, die durchaus nicht selten im Stile und Sinne von Junk Science arbeiten.

Es könnte auch stehen: »Die Vertragsparteien erkennen unwiderruflich an, daß wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, daß Jesus von einer Jungfrau geboren wurde.«
Es könnte auch stehen: »Die Vertragsparteien erkennen unwiderruflich an, daß wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, daß Jesus von einer Jungfrau geboren wurde.«

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Hans-Joachim Maes ist Fachjournalist zu Wissenschaftskriminalität und Inhaber der W+D Wissenschaft & Dokumentation GmbH in Berlin. Kontakt: Tel. 030 / 8522486, wissdok@compuserve.com. In Novo58/59 ist von ihm zuletzt erschienen «FDA beendet faule Tricks» über Verbraucherschutz in der US-Pharmabranche.

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