Wollt ihr den totalen Überwachungsstaat?

Britischer Richter fordert DNA-Tests für alle

Richter-DNA

Großbritannien, schon heute rigider überwacht als der Rest Europas, streitet über die Ausweitung seines DNA-Polizeiarchivs auf die ganze Bevölkerung – inklusive sämtlicher Touristen.

Den einen ist es noch nicht genug an Überwachung. Erst wenn alle Bürger, vom Kleinkind bis zum Greis, im DNA-Archiv des Scotland Yard versammelt wären, würden sie sich sicher fühlen. Den anderen kommt schon der jetzige Zustand unerträglich vor. Warum, fragen sie, sollten Hunderttausende unbescholtener Bürger und sogar Kinder unter zehn Jahren gewerbemäßig von der Polizei erfasst werden?

Im Lande Sherlock Holmes, Agatha Christie und Jack the Ripper sowie der elektronischen Fußfesseln und der sprechenden Überwachungskamera ist ein neuer Streit entbrannt – um den Umfang des nationalen DNA-Archivs und um die Regeln unfreiwilliger Aufnahme in die Datensammlung durch die Polizei.
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In einem äußert kritischen Bericht hat der angesehene Rat für Bioethik die geltenden Regeln attackiert: Es sei schlicht «nicht akzeptabel», dass die britische Polizei nach Belieben Biodaten von Personen lagern dürfe, die sich gar keines Verbrechens oder auch nur Vergehens schuldig gemacht hätten, rügt das Gremium unter Vorsitz des Cambridge-Rechtsprofessors Sir Bob Hepple.

Auch Opfer DNS-konserviert

In der Tat dürfen die britischen Behörden ihr Datennetz sehr viel weiter auswerfen als die Polizeikräfte in den meisten anderen Staaten Europas. In Großbritannien findet sich jeder im nationalen DNA-Archiv wieder, der je irgendwann festgenommen wurde – auch wenn der Festnahme prompt die Entlassung folgte oder der oder die Betreffende sich später als völlig unschuldig erwies.

Unbegrenzt lagern darf Scotland Yard auch Biodaten von Personen, die ihrerseits Opfer eines Verbrechens und als solche datenmäßig registriert worden sind:

Niemand hat das Recht, sein Gewebe zurückzufordern, wenn dieses erst einmal in den Apparat gelangt ist. Über vier Millionen Personen – sieben Prozent der britischen Bevölkerung – sind schon jetzt im DNA-Archiv der Polizei vertreten, unter ihnen über 886.000 Kinder (und per dato mehr als 100 Kinder, die jünger sind als zehn Jahre). Das sei beileibe zu viel, findet Professor Hepple. Nur wer wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei, solle seine DNA abgeben müssen, meint der Jurist. Alles andere sei eine eklatante Verletzung persönlicher Rechtssphäre und bringe lediglich unbescholtene Bürger unnötig in Verruf.

«Kürzlich ist der Alkoholladen in meinem Viertel überfallen worden», erklärt etwa Hepples Kollegin Carole McCartney, die Hauptautorin des Bioethik-Berichts, die Sicht der Kritiker. «In dem Laden ist meine DNA überall zu finden. Dabei bin ich nicht wirklich eine Verbrecherin – nur eine Schokolade liebende Weintrinkerin», sagt sie.

In Strassburg ist zurzeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Prozess anhängig, durch den zwei junge Briten die DNA-Regeln in ihrem Heimatland zu ändern hoffen. Einer der beiden, nur als «Teenager S.» identifiziert, war im Jahr 2001 als Elfjähriger im Zusammenhang mit einem versuchten Raubüberfall festgenommen und vor Gericht gestellt worden. Dieses aber sprach ihn frei. Er hat in England selbst mehrfach vergeblich versucht, seine DNA-Probe zurückzuerhalten. Doch das Berufungsgericht der Insel, der Court of Appeal, wies die Klage ab.

Einer der prominentesten Richter des Appellationsgerichts aber, Sir Stephen Sedley, hat inzwischen öffentlich gefordert, die DNA-Schraube in Großbritannien noch weiter anzuziehen. Sir Stephen wünscht sich ein nationales Polizeiarchiv, in dem ausnahmslos jeder Bürger des Landes mit einer Gewebeprobe vertreten ist – darunter fallen auch sämtliche 32 Millionen Touristen, die alljährlich die Insel besuchen.

Premier Brown gegen Obligatorium

Einen solchen Vorschlag, den auch bereits der frühere Regierungschef Tony Blair für «denkbar» gehalten hatte, lehnen Bürgerrechtler und Bioethiker-Verbände als «Ausdruck der totalen Überwachungsgesellschaft» entschieden ab. Blairs Nachfolger als Premier, Gordon Brown, sieht fürs Erste keine Notwendigkeit, ein «obligatorisches» DNA-Archiv einzuführen. Ausgeschlossen hat er eine solche Maßnahme allerdings auch nicht.

In der Tat dürfen die britischen Behörden ihr Datennetz sehr viel weiter auswerfen als die Polizeikräfte in den meisten anderen Staaten Europas. In Großbritannien findet sich im nationalen DNA-Archiv wieder, wer nur je irgendwann festgenommen wurde – auch wenn nach der Festnahme prompt die Entlassung folgte oder der oder die Betreffende sich später als völlig unschuldig erwies.

Unbegrenzt lagern darf Scotland Yard auch Biodaten von Personen, die ihrerseits Opfer eines Verbrechens und als solche datenmäßig registriert worden sind: Niemand hat das Recht, sein Gewebe zurückzufordern, wenn dieses erst einmal in den Apparat gelangt ist. Über vier Millionen Personen – sieben Prozent der britischen Bevölkerung – sind schon jetzt im DNA-Archiv der Polizei vertreten, unter ihnen über 886.000 Kinder, wovon über 100 Kinder unter zehn Jahre alt sind. Das sei beileibe zu viel, findet Professor Hepple. Nur wer wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei, solle seine DNA abgeben müssen, meint der Jurist. Alles andere sei eine eklatante Verletzung persönlicher Rechtssphäre und bringe lediglich unbescholtene Bürger unnötig in Verruf.

«Kürzlich ist der Alkoholladen in meinem Viertel überfallen worden», erklärt etwa Hepples Kollegin Carole McCartney, die Hauptautorin des Bioethik-Berichts, die Sicht der Kritiker. «In dem Laden ist meine DNA überall zu finden. Dabei bin ich nicht wirklich eine Verbrecherin – nur eine Schokolade liebende Weintrinkerin», sagt sie.

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[Carolus Magnus]

Carolus Magnus

Freidenker, Rebell und Nonkonformist schreibt provokativ, konzis, unkonventionell und unmißverständlich über/gegen das grassierende, genußfeindliche, puritanische Weltbild in unserer Gesellschaft. Stilmittel: Satire, Provokation, Humor, Karikatur und knallharte Facts. Ein MultiMediaMagazin für Jeden.

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7 thoughts on “Wollt ihr den totalen Überwachungsstaat?

  1. Pingback: Pligg
  2. Ich nicht!

    Ich wollte bereits vor vier Jahren mal wieder auf die Insel während eines Halbjahres, um das «Cambridge Proficiency» Diplom aufzufrischen und die alten Tage wieder auferstehen zu lassen, doch seitdem ich weiss was dort vor sich geht, habe ich dieses Vorhaben ad acta gelegt.

  3. Es scheint, dass sich die Schreibtischtäter endgültig etablieren. In einem demokratischen Land muss die Überwachung des Bürgers so gering wie möglich (und nötig) sein. Seine Freiheit ist höher zu gewichten, als Papierberge inkl. elektronische Überwachungssysteme in grossen Tintenburgen, die der Überwachung dienen. Die Hüter des Gesetzes müssen erkennbar sein, was sie durch ihre Uniform sind. Fahrzeuge müssen erkennbar sein, was sie durch spezielle Farbgebung und Aufschrift sind.
    Überwachungsgeräte müssen sichtbar und erkennbar sein.

    Verdeckte Fahndung, Polizei in Zivil usw. dürften nur in eng begrenztem Rahmen zulässig sein!

    Ich will nicht gläserner Patient, nicht gläserner Steuerzahler, nicht total überwachter Verkehrsteilnehmer, nicht total berwachter Fussgänger, nicht ein rückverfolgbares Produkt, sondern ein freier Mensch sein.

    Freilich kostet sichere Freiheit ihren Preis. Dieser muss aber vernünftig sein. Es gibt genügend Gesetze. Es gibt auch solche, die nicht vernünftig sind. Müssten die Überwachungs- und Sicherheitsfanatiker Streichhölzer herstellen, könnten gar keine mehr kaufen, denn um sicher zu sein, dass diese zu 100% funktionieren, müssten sie diese anzünden… Gersau resp. die Schildbürger lassen grüssen – und Orwell1984 auch.

    Gruss
    odh

  4. Ja, dem ist so!

    Wir werden von der Verwaltung regiert, nicht von der Regierung. In Deutschland beträgt der Aufwand für die Verwaltung, für 4.500.000 öffentliche Dienststellen 30 Prozent oder 156.000.000.000 Euro der Gesamtsteuereinnahmen von 530 Milliarden Euro (Stand 2006)
    Die Regierung und die Medien manipulieren uns bloss in den Kanal zur Verwaltung.

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