Wo liegt die Schmerzgrenze der Verbote?

verbotsschild

Und ewig lockt das Verbot

Die Wiener Linien prüfen ein Essverbot. Sie führen derzeit eine umfangreiche Befragung ihrer Fahrgäste durch.

Essen kann die Gesundheit gefährden. Soll heißen: Essen kann die psychische Gesundheit gefährden. Soll heißen: Essen in U-Bahn und Co. kann die psychische Gesundheit der anderen gefährden. Es sind stets die anderen, die stören, als Zumutung empfunden werden. Weil sie selbst im Gedränge öffentlicher Verkehrsmittel ihre Leberkässemmel, ihr Kebab, die Pizzaschnitte (weitere gedankliche Einfügungen bei Bedarf bitte bedenkenlos vornehmen) verspeisen. Oder ihr Bier trinken. Oder fortwährend telefonieren. Oder laute Musik hören. Oder mit dem Gegenüber tratschen. Oder streiten. Oder lachen. Oder mit der Zeitung rascheln. Oder einfach dasitzen und penetrant vor sich hin schweigen. Eine Zumutung.

Wir sehen: Der Ärgernisse, der kann es sehr viele geben. Besonders eben an Orten, an denen viele Menschen zufällig (schicksalhaft?) zusammentreffen. Manche sehen ja die ganze Menschheit als ein einziges Ärgernis. Das mag denn doch vielleicht etwas überzogen sein. Klar ist: Nur Regeln machen ein Zusammenleben von und für Menschen möglich. Aber: Wird es umso erträglicher, je strikter diese sind?

Nun also droht wieder ein amtlich ausgesprochenes Verbot. Diesmal könnte es in öffentlichen Verkehrsmitteln Wiens für das Verzehren von Speisen ausgesprochen werden. Warum nicht? Wenigstens eine Zumutung weniger. Nur: Was ist mit Telefonieren, Tratschen, Zeitungsrascheln? Verbote können die psychische Gesundheit gefährden.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

(«Die Presse», Print-Ausgabe, 09.04.2009)

Carolus Magnus

Diese Webseite befaßt sich bewußt provokativ mit Allgemeinwissen, Politik und Gesellschaft. Sie setzt sich mit gesellschaftlichen Tendenzen in kritischer Betrachtung auseinander, verurteilt den zunehmenden Überwachungs- und Bevormundungsstaat, wirkt dem Tugend-Terror, dem Verbotswahn und einem mehr und mehr penetrant in die Privatsphäre eindringenden Staat mit direkten Aussagen entgegen - zum Zweck des Demokratie-Erhalts, zur Abwehr eines Totalitarismus und zur Förderung der Eigenverantwortung.

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2 thoughts on “Wo liegt die Schmerzgrenze der Verbote?

  1. Der gemeine Mitteleuropäer liebt die Ruhe und bestimmt am liebsten selbst, was Ruhe ist. Jede Lebensäusserung eines anderen ist eine Störung, wohingegen die eigenen Aktivitäten als normal erkannt werden. Deshalb würde er auch nie in der guten alten Zeit in Ungarn einen Regionalzug genommen haben, wo die Leute fröhlich ihr Essen auf Tischen und Sitzen ausgebreitet haben und man gerne mitessen durften, wenn man nichts dabei hatte.
    Es warten deshalb weitere Verbote in der Öffentlichkeit:

    Rauchen ist ja schon lang verboten, aber auch extra breitbeiniges Sitzen, Der Abgang eines Darmwindes, sowie Rülpsen, der merkbare Duft von Parfum, sowie Gähnen mit offenem Mund, sowie das Tragen kurzer Hosen bei Männern und das Angucken anderer Passagiere, das Telefonieren oder laute Miteinanderreden. Am liebsten hat es der Spiesser wie im Fahrstuhl- einfach ruhig dastehen, niemanden ansehen, nichts sagen und auch sonst kein Geräusch und auch keine Gesten machen. Das wäre dann vorbildliches Verhalten im ÖPNV.
    In Miami kann man ja bereits verhaftet werden, wenn man am Strand eine Flasche Bier trinkt.
    ALs die Jugend nochz etwas lockerer drauf war, machte ein Spruch die Runde:

    Verbietet die Verbote

    dem ist nichts hinzuzufügen

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