Der Rausch (Teil 2)

bluelady5.png

Ich liebe die schnelle Abfolge der Gedanken und Phantasien. Ich kann insofern alle Raucherinnen und Raucher verstehen, die auf ihre bewährte Unterstützung durch den Tabak nicht verzichten; trotz allen gesundheitlichen Bedenken.

Selbstverständlich liegt in all diesen Dingen auch die Gefahr der Flucht. Und je stärker die Praxis oder Droge wirkt um so mehr wächst diese Gefahr, daß Menschen diese Dinge nicht mehr zu ihrem Nutzen, sondern zu ihrem Schaden gebrauchen. Das gilt für Drogen jedoch genauso wie für meditative Techniken, wie wir an Hand diverser Sekten anschaulich zu sehen bekommen. Die Abhängigkeit ist aber nicht in der Droge, sondern in der Angst vor einer nicht mehr als zu bewältigen erscheinenden Realität begründet, und der Flucht aus ihr.

Das heißt nicht die Droge oder bewusstseinsverändernde Handlung ist das Problem, sondern die alltäglichen Situationen, mit denen der Menschen überfordert wird. Die Flucht ist Ausdruck äußerer, schlechter gesellschaftlicher Verhältnisse oder individueller Probleme, z.B. in engen Beziehungen. Arbeitslosigkeit führt so häufig zur Flucht in die Droge. Und starker Stress zu übermäßigen Zigarettenkonsum. Diejenigen, die das ändern wollen, sollten ihre Kraft besser sinnvoll darauf verwenden, die Arbeitsverhältnisse zu ändern. Sie sollten sich lieber daran beteiligen gegen die Gewaltverhältnisse in dieser Gesellschaft anzugehen, als das Kind mit dem Bade auszuschütten und das Rauchen zu verfolgen.

Aber ach, es ist ja wohl soviel einfacher, die simplen Lösungen nachzuplappern und auf die Raucherinnen und Raucher einzuprügeln, anstatt zu versuchen, diese Gesellschaft mit ihren immer asozialeren Zügen zu ändern. Viele haben wohl angesichts einer übermächtig erscheinenden Sachzwanglogik, des Standortes, der Globalisierung und der angeblich unausweichlichen Zwänge kapitalistischer Konkurrenz den Mut verloren und ihre Angst und Wut statt dessen auf die Agitation gegen das Rauchen verschoben.

Aus der Psychologie sind derartige Verhaltensweisen unter dem Begriff der Übersprungs- und Ersatzhandlung für scheinbar unlösbare Konflikte wohlbekannt. Auch bei unter Stress versetzten oder leidenden Tieren lassen sich solche Ersatzhandlungen beobachten. Wer kennt nicht Katzen und Hunde, die sich Kratzen, wenn sie sich beobachtet fühlen.

Die Menschen sind aber keine Tiere, sie haben sich von ihren Ursprüngen emanzipiert. So gibt es vielfältige kulturelle Praxen, die nicht immer gesund sind, mit denen sie ihr Leben bewusst beeinflussen. Sie fliegen durch die Luft, sie telefonieren über Kontinente, sie treiben Sport, sie lieben sich in höchst unnatürlicher Art und Weise, und auch Rauschmittel und Drogen gehören dazu. Ein Zurück zum Naturzustand ist weder möglich, noch finde ich dies wünschenswert. Denn auch wenn viele menschliche Praxen den Körper belasten, so machen sie doch einen wesentlichen Teil unserer Lebensqualität aus. Wichtig ist hier nur, den Einzelnen die Fähigkeit zum selbst bestimmten Umgang mit diesen Praxen zu vermitteln. Dies ist die Aufgabe einer freien Gesellschaft, die nicht vor der Zukunft in Angst erstarrt. Die kulturellen Möglichkeiten sind unsere größte Chance. Und die Risiken liegen in erster Linie dort, wo wir Dinge tabuisieren und uns nicht mehr über problematische Folgen auseinandersetzen. Wir sollten unsere Möglichkeiten bewusst weiterentwickeln. Dazu ist es notwendig die Rauschmittel aus dem Dunkeln und dem Halbschatten herauszuholen. Alle Gefahren, aber auch alle positiven Aspekte, z.B. auch bestimmte medizinische Wirkungen von psychogenen Substanzen, klar zu benennen. Es ist absoluter Unsinn nun auch noch den Tabak ins Dunkel dieses antirationalen Kellers unausgegorener Ängste und verschobener Phantasien zu verbannen.

Was wir brauchen ist eine innovative Weiterentwicklung der Handlungsmöglichkeiten und Mittel, die uns heute zur Verfügung stehen. Und wir sollten das traditionelle Wissen, soweit es noch vorhanden ist, sorgfältig aufnehmen und weitervermitteln. Dies gilt auch und insbesondere für das Wissen, das indigene Bevölkerungen über Jahrtausende bzgl. der unterschiedlichsten Substanzen angesammelt haben. In Europa ist leider durch die Inquisition und den Massenmord an heilkundigen Frauen ein Großteil dieses Wissens verloren gegangen.

Der Tabak ist ein gutes Beispiel, was passiert, wenn dieses Wissen verloren geht. Denn es ist nicht der Tabakgenus an sich, sondern sein industrialisierter Konsum, der viele der heutigen Probleme heraufbeschwört. Die Antiraucherinnen und Antiraucher tragen an diesem Wissensverlust durch ihre Tabuisierung jeglicher offener Diskussion über den Nutzen des Rauchens eine nicht geringe Mitschuld. Sie behindern durch ihre Angstabwehr auch einen kritischen und bewussten Umgang der Raucherinnen und Raucher mit dem Tabak.

Der Genus von Rauschmitteln, der Genus aufputschender und entspannender Mittel war und ist in allen menschlichen Kulturen Teil der gesellschaftlichen Realität. Nur, daß heute bestimmte Fundamentalistinnen und Fundamentalisten versuchen unsere Gesellschaft ihren Zwangsvorstellungen eines Reinlichkeitswahns unterzuordnen und eine drogenfreie Gesellschaft politisch autoritär durchzusetzen. Unsere moderne Gesellschaft wird damit zunehmend zu einem immer irrationaleren Umgang mit diesen Rausch- und Genussmitteln gezwungen. Wo in anderen Gesellschaften ritualisierte und sozial abgesicherte Formen des Drogenkonsums bestanden, lassen wir jährlich eine große Zahl von Menschen verelenden und sterben. Der Streit ums Rauchen ist hier nur ein Teil einer grundsätzlicheren Auseinandersetzung. Und auch deshalb dürfen wir uns eine weitere Zerstörung menschlicher Freiheit und alten Wissen durch die Antiraucherfraktion nicht gefallen lassen.

Die Angst vor dem Rausch, die Angst vor dem Genuss, ist dem zwanghaften Charakter vieler Drogenfeinde und -feindinnen geschuldet. Vor allem ihrer eigenen Angst, unfähig zu sein mit diesen Möglichkeiten zu Recht zu kommen. Deshalb sind Antiraucherinnen und Antiraucher häufig ehemalige Nutzerinnen und Nutzer von Tabakprodukten, die aufgrund ihrer psychischen oder sozialen Situation überfordert waren, durch die Freiheit zur Selbstbestimmung. Es sind Menschen, die das eigene Rauchen als Unfreiheit erlebt haben, und nicht begreifen wollen, daß nicht der Tabak, sondern nur sie selbst sich diesen Zwang angetan haben. Menschen, die nicht sehen wollen, daß sie heute ihre Ängste auf das Rauchen übertragen, welche sie früher erst durch die Flucht ins Rauchen verdrängt haben. Ängste, denen sie sich auch heute offensichtlich noch nicht stellen können. Aus der, bzw. dem Tabakabhängigen werden so ebenso zwanghafte Antiraucherinnen und Antiraucher. Der fundamentalistische Antirauchwahn wird zur neuen Sucht, zur Flucht vor der Realität. Eine differenzierte Auseinandersetzung über das Für und das Wider des Rauchen ist diesen Menschen nicht möglich. Dazu müssten sie zuerst zugeben lernen, daß es nicht die Raucherinnen und Raucher sind, die sie primär bedrohen, sondern daß ihre Angst woanders begründet ist. Dazu werden sie aber erst in der Lage sein, wenn sie gelernt haben, sich ihren Ängsten zu stellen, wenn sie eine Chance sehen, ihre realen Probleme, z.B. Probleme am Arbeitsplatz oder Beziehungsprobleme, zu lösen. Bis dahin werden sie fortfahren für all ihre Ängste die Raucherinnen und Raucher verantwortlich zu machen.

Auch wenn solche Antiraucherinnen und Antiraucher Hilfe und Kritik benötigen, muss doch zuerst klar dargestellt werden, was sie sich selbst und anderen antun. Denn häufig ist das zwanghafte Antirauchen nur ein Teilaspekt der autoritären Selbstdisziplinierung des Zwangscharakters und geht außerdem mit anderen Selbstbestrafungen, mit zersetzender Diät und weiteren disziplinatorischen Einschränkungen der eigenen Person einher. Oft werden auch Lebenspartner und Lebenspartnerinnen und Andere in die autoritäre Disziplinierung und Gängelung mit einbezogen, bis hin zur Zerstörung von Beziehungen. Besonders betroffen sind hier leider auch die Kinder und alle Menschen, die abhängig sind von solchen autoritären Charakteren, z.B. ihrem Chef.

Noch einmal; ich bestreite nicht, daß bewusstseinsverändernde Stoffe und Mittel auch Gefahren beinhalten. Das eigentliche Problem liegt aber nicht bei diesen Stoffen und Mitteln, sondern in ihrer Tabuisierung und der daraus resultierende Unfähigkeit mit ihnen sinnvoll umzugehen.

Nicht der Tabakgenuss ist das Problem, sondern die Art und Weise in der er uns heute aufgezwungen wird. Dies hängt auf der einen Seite mit der Tabuisierung des Rauchens durch die Antiraucherinnen und Antiraucher zusammen, und ist auf der anderen Seite auf eine raucherinnen- und raucherfeindliche, nur auf den eigenen Profit bedachte, Politik der Tabakkonzerne zurückzuführen. Zusammen werden so alle Weiterentwicklungen des Tabakgenusses verhindert. Und die Raucherinnen und Raucher werden auf eine nicht besonders sinnvolle Form des Tabakkonsums in Form der nach dem besonders gesundheitsschädlich ‹American Blend› Verfahren produzierten Zigarette festgelegt. Ein Verfahren das Anfang des Jahrhunderts von der US-amerikanischen Tabakindustrie entwickelt und monopolistisch auf dem Weltmarkt durchgesetzt wurde. Diese Zigaretten sind aufgrund ihres nicht alkalischen Rauches besonders schädlich.

Raucherinnen und Raucher müssen sich die Selbstbestimmung über den Tabak erkämpfen, um die Freiheit der Wahl zu haben – und sich nicht weiter kaputt machen lassen.

ada_frankiewicz.png

Revised by Carolus Magnus

Carolus Magnus

Freidenker, Rebell und Nonkonformist schreibt provokativ, konzis, unkonventionell und unmißverständlich über/gegen das grassierende, genußfeindliche, puritanische Weltbild in unserer Gesellschaft. Stilmittel: Satire, Provokation, Humor, Karikatur und knallharte Facts. Ein MultiMediaMagazin für Jeden.

View all posts by Carolus Magnus →

3 thoughts on “Der Rausch (Teil 2)

  1. Ein sehr interessanter Artikel zur Bewußtseinserweiterung. Meine Bücher hätte ich ohne Tabakgenuß nie in der Form schreiben können, in der sie entstanden sind. Manchmal war auch Alkohol im Spiel, bevorzugt jedoch Kaffee, denn Tabak und Kaffee empfand auch ich in seiner Wirkung als bewußtseinserweiternd, welches für mich wiederum ein wichtiger Teil meiner Lebensqualität darstellt.

    Das Problem der Antiraucher(innen) sehe ich auch psychologisch begründet, wobei ihr Zerstörungspotential sich ja nicht allein auf ihre Selbstzerstörung begrenzt, sondern in Projektionen gegen uns ausufert – wobei ab dem Moment schon eine psychopathische Komponente eine Rolle spielt, die sie sich als argumentationsresistent erweisen.

    Doch der letzte Abschnitt hat mich schockiert. – Ich schaue gerade auf meine Pall Mall-Schachtel, und registriere «FAMOUS AMERICAN BLEND». Diese Zigaretten sind hier preiswerter – als die meisten der Geschmacksrichtung, aber ich werde mich bald doch mal, ob der Preise, mit der deutschen Hecke in Verbindung setzen.

    Grüßlis aus dem Ländle, zur Nacht, von

    Muna 🙂

  2. Liebe Muna

    Das mit dem nicht alkalischen Rauch weiss ich nicht, inwieweit es stimmt. Da muss ich mal einen Fachmann fragen. Den Text habe ich nur gaaanz wenig überarbeitet und stammt urprünglich nicht von mir, sondern von der angegebenen Autorin.

  3. Gute Neuigkeiten aus Österreich:

    Österreichs Gesundheitsministerin stellt klar: Dass Passivrauchen bis zu hundert Tote pro Jahr verursache, ist nicht bestätigt
    Ministerin Kdolsky: Generelles Rauchverbot in Österreichs Lokalen sinnlos
    Österreichs Gesundheitsministerin Kdolsky hält ein generelles Rauchverbot in Lokalen für «sinnlos». Wie die ÖVP-Politikerin dem «trend» mitteilte, gebe es keine aktuellen Studien, dass sich durch ein Rauchverbot in Lokalen das Rauchverhalten der Bevölkerung ändere. Als Beispiel für den Misserfolg von generellen Rauchverboten verwies Kdolsky auf Italien: Dort werde «leider nicht weniger geraucht als vorher, nur eben auf der Straße.»

    Auch zur Gefahr durch Passivrauchen verwies sie auf Studien: Dass Passivrauchen bis zu hundert Tote pro Jahr verursache, werde darin nicht bestätigt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .