Kapnophobie & Bigotterie

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Militantismus und Feigheit

Versch(r)obene Wahrnehmung der Realität
nennt man landläufig als «ver»-«rückt»

Während sich in ganz Deutschland die Gemüter über das sensationelle Urteil vom 30. Juli 2008 des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Passivrauch erregen, beginnen morgen die Olympischen Spiele in Beijing unter einer 33° C heißen Smog-Glocke, die Nichtrauchern und Sportlern nichts auszumachen scheinen. Misokapnisten und Tabakkophile eifern Hand in Hand dem Anlaß entgegen, der morgen, Freitag, dem 8. August 2008 um 8 Uhr 08 Min. beginnt. Warum dieses Datum? Weil acht in China eine Glückszahl ist, genauso wie die 6 und die 9.

Beijing, V.R. China

Die Sportler erwartet eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit von 85 Prozent und abgasverseuchte Atemluft. Die Sichtweite beträgt etwa 80 Meter. Es scheint ihnen nichts auszumachen, denn Diesel- und Bezinabgase, Schweißfüße und Wok-Dämpfe duften anders als Tabak – was der fanatische Kern der ’neuen Religion› zu sein scheint. Auch die sommerlichen Ozon-Alarme in Europa, wenn Grenzwerte (!) überschritten werden, können Kapnophobikern nichts anhaben, denn entgegen dem pasiven und harmlosen Tabakrauch ist Ozon geruchslos, genau so wie atomare Strahlung. Welche Schizophrenie steckt dehinter?

Nicht einmal menschenverachtende Behandlung der eigenen Bevölkerung, die mit Füßen getretenen Menschenrechte in China, die blockierten Internetzugänge oder Terrorwarnungen der Uiguren scheinen sie davon abzuhalten. Hauptsache die Slogans stimmen: «Raucher sind Kindermörder», «Geiz ist geil» und «Sport ist Mord».

Der feige und wortbrüchige IOC-Präsident Jacques Rogge versuchte am Wochenende, die neue Situation mit rhetorischem Bleichmittel schönzureden: «Größtmöglicher Zugang» zum Internet, das sei doch schon mal was. Das Wort «uneingeschränkt», von dem im Vorfeld der Olympischen Spiele bisher stets die Rede war, vermied er. «Größtmöglich», das weiß der um Diplomatie bemühte Rogge nur zu genau, ist ein dehnbarer Begriff. Verschiedene chinakritische Internetseiten wurden und werden von staatlichen Zensoren geblockt.

So auch, nebst der Deutschen Welle und BBC, Amnesty International, die da schreibt: Eine wachsende Zahl von Menschenrechtsverteidigern wurde in Haft genommen, unter Hausarrest oder polizeiliche Überwachung gestellt und von der Polizei schikaniert. Die Repressionen gegen Angehörige von Minderheiten wie Tibeter, Uiguren und Mongolen daueren auch im Olympiajahr an.

Inhaftierte Anhänger der spirituellen Bewegung Falun Gong sind in besonderem Maß von Folterung und Mißhandlung bedroht. Chinesische Christen (27 000 000 wovon 15Mio. Katholiken und 12 Mio. Reformierte – Quelle ZDF), die ihre Religion außerhalb des staatlich sanktionierten Rahmens ausübten, werden ebenfalls verfolgt.
Auch nach der Wiedereinführung der Überprüfung aller Todesurteile durch das Oberste Volksgericht wurde und wird die Todesstrafe in großem Umfang angewandt, wobei viele Aspekte der Todesstrafenpraxis weiterhin der Geheimhaltung unterliegen.
Die Folterung von Häftlingen und Strafgefangenen war nach wie vor gängige Praxis. Millionen von Chinesen hatten keinen Zugang zu den Gerichten und konnten ihr Recht nur mit Hilfe eines wenig effektiven außergerichtlichen Beschwerdeverfahrens geltend machen.

Viele Mädchen und Frauen sind weiterhin Opfer von Gewalt und Diskriminierung. Die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Peking 2008 waren von Repressionsmaßnahmen gegen Menschenrechtsverteidiger gekennzeichnet. Die Zensur des Internets und der Medien wurde verstärkt.

Falun Gong Anhänger

China ist Weltmeister bei Todesstrafen

Gold für Menschenrechte kann es für China nur geben, wenn der chinesische „Weltrekord“ bei Todesurteilen und Hinrichtungen bald der Vergangenheit angehört. Zuallererst muss China die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen veröffentlichen und die Zahl der Straftaten, die mit der Todesstrafe geahndet werden können, drastisch verringern.

China führt nach wie vor mehr Hinrichtungen durch als alle anderen Länder der Welt. Wie viele es genau sind, ist jedoch unbekannt. Da offizielle Zahlen zu Todesurteilen undgoldband Hinrichtungen als Staatsgeheimnis behandelt werden, ist es äußerst schwierig, die Anwendung der Todesstrafe in China objektiv zu analysieren. Auf Grundlage öffentlich zugänglicher Berichte geht Amnesty International davon aus, dass im Jahr 2006 in China mindestens 1 010 Menschen hingerichtet und 2 790 zum Tode verurteilt wurden. Das entspricht 63 Prozent aller weltweit gemeldeten Hinrichtungen. Der chinesische Strafrechtsprofessor Liu Renwen ging Anfang 2006 davon aus, dass in China pro Jahr 8 000 Menschen hingerichtet werden. Nach Schätzungen der in den USA ansässigen Dui Hua Foundation, die sich auf chinesische Quellen mit Zugang zu offiziellen Informationen stützt, wurden im Jahr 2007 etwa 6 000 Todesurteile vollstreckt.

Petition unterschreiben

Goldband tragen

Warum setzen sich militante Anti-Raucher nicht gegen solch himmelschreiende, tödliche Ungerechtigkeiten ein? Ist es etwa, weil weniger intellektuell anstrengend oder fordernd, einem nicht existenten Gesundheits-Gespenst wie völlig harmloser Passivrauch zu jagen als sich gegen die wirklichen Schandtaten dieser Welt zur Wehr zu setzen? Oder ist es schlicht Feigheit, Menschenverachtung und Desinteresse?

Wie so oft, ist wohl auch dies eine Frage des Charakters.

Na, Thomas Taliban Zeltner; wie wäre es mit einem Friedensnobelpreis statt einer «Schoggistelle» bei der WHO? Überlegen Sie es sich!

Carolus Magnus

Freidenker, Rebell und Nonkonformist schreibt provokativ, konzis, unkonventionell und unmißverständlich über/gegen das grassierende, genußfeindliche, puritanische Weltbild in unserer Gesellschaft. Stilmittel: Satire, Provokation, Humor, Karikatur und knallharte Facts. Ein MultiMediaMagazin für Jeden.

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One thought on “Kapnophobie & Bigotterie

  1. Die Differenz zwischen «uneingschränktem» und «grösstmöglichem» Internetzugang ist der «unmögliche» Internetzugang.
    Wer bestimmt was unmöglich ist?
    Wenn es die Technologie wäre, o.k., was technisch nicht geht geht halt nicht.
    Aber genau das ist es nicht.
    Es sind menschen, die bestimmen, was «unmöglich» ist.
    «Unmöglich» wird so zum Synonym für «unerwünscht».
    Also wie so oft gehabt ZENSUR.

    Die westliche «Zivilisation» zieht wieder mal en Schwanz ein.
    Wo wird noch für unsere Werte eingestanden?
    – Freiheit -> Rauch- und andere Verbote
    – Meinungsäusserungsfreiheit -> Meinungsfreiheit (ich darf meine Meinung haben, aber nicht sagen. Sobald die Mächtigen Meinungen in unseren Köpfen messen können wird es auch damit vorbei sein)
    – Bildung ->nur noch zu Arbeitssklaven
    – Menschenrechte -> nur wenn sie unseren wirtschaftlichen Interessen nicht schaden
    – Achtung des Anderen ->Bevormundung durch die neuen Nannies

    Eine schöne Analyse bietet Henryk M. Broder, «Hurra, wir kapitulieren!»

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