Das Leben der Pseudowissenschaftler II

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Der Junk-Sciencer

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Auftraggeber der Junk Sciencer sind häufig Politiker; deren Bedarf an seriöser wissenschaftlicher Beratung scheint gering zu sein. Vielfach finanzieren sie statt solider Wissenschaftler solche, die ihnen etwas «bringen»: scheinbar wissenschaftlich abgesicherte Argumente für längst getroffene Entscheidungen. Häufig sind gut dotierte Aufträge nichts anderes als ein Werkvertrag über die erneute, zeitgemäß scheinende Reproduktion geliebter Vorurteile und deren Sicherung für weitere Verwendung.

Der Junk Sciencer lebt allerdings (was ihm nicht bewußt sein muß) mit einem unauflöslichen Widerspruch: Einerseits muß er formal Regeln der Wissenschaft einhalten, andererseits weiß er genau, daß er sich selbst ad absurdum führen, letztlich eliminieren würde, wendete er diese inhaltlich an. Er muß so «tun als ob» und den Schein als das Sein verkaufen, Lüge als Wahrheit.

Um mit diesem Konflikt gelassen leben zu können, haben manche Junk Sciencer Selbstschutzmechanismen entwickelt; andere haben vielleicht das Glück, charakterlich so ausgestattet zu sein wie jene, von denen Birnbaum einst schrieb, Typen solcher Art würden in der Regel Heiratsschwindler, Hochstapler oder Journalisten.

Wie auch immer, das oberstes Gebot lautet: Ein Junk Sciencer hat stets Recht. Alles, was er von sich gibt, ist richtig. Daß er mit seinem Müll (vielleicht sogar sehr spektakulär) an die Öffentlichkeit gegangen ist, ist nicht nur legitim, sondern heldenhaftes Tun, dem die gesamte Menschheit einschließlich kommender Generationen Dank schuldet.

Ein Junk Sciencer macht sich, nicht einmal in homöopathischer Dosierung, Gedanken über «Risiken und Nebenwirkungen» seines Tuns. Ihm gilt als weiteres Gebot: Negative Konsequenzen seines Pfusches kann es grundsätzlich nicht geben. So zurückhaltend wie die Katholische Kirche, die dem Papst die Unfehlbarkeit ja lediglich in Glaubensdingen zubilligt, muß der Junk Sciencer nicht sein, ist er doch der nach Kant gehobensten Kategorie «Wissen» (nicht: «meinen» oder «glauben») zugeordnet. Selbst wenn ein Junk Sciencer sich als enthusiastischer Befürworter von Nazi-Propaganda oder als totalitärer Forderer eines «Verbots der Meinungsfreiheit» für ihm nicht genehme Aussagen outet, wird ihm dies nicht einmal peinlich sein.

Fortsetzung 3/4 folgt morgen!


Hans-Joachim Maes ist Fachjournalist zu Wissenschaftskriminalität und Inhaber der W+D Wissenschaft & Dokumentation GmbH in Berlin. Kontakt: Tel. 030 / 8522486, wissdok@compuserve.com. In »Novo«58/59 ist von ihm zuletzt erschienen «FDA beendet faule Tricks» über Verbraucherschutz in der US-Pharmabranche.

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